Osteopathie

Osteopathie ist eine eigenständige, und in zunehmenden Umfang auch medizinisch wissenschaftlich begründete, ganzheitliche, manuelle Behandlungsmethode. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass ein reibungsloser, gesunder Ablauf der Lebensfunktionen von der ungestörten Mobilität der Strukturen des Körpers abhängig ist. Osteopathie zeichnet sich durch die Förderung und Unterstützung der Selbstheilungskräfte der Patient_innen durch individuell ausgewählte und den osteopathischen Prinzipien angepasste manuelle osteopathische Techniken aus. Osteopathie wird erst durch die Einbeziehung aller Systeme des Menschen (strukturell-funktionelles System, viscerales System und craniosacrales System) ihrem ganzheitlichen Anspruch gerecht.

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Strukturell-funktionelles System

Im strukturell-funktionellen System der Osteopathie werden Dysfunktionen des gesamten Bewegungsapparats (z.B. Wirbelsäule, Gelenke, Muskeln, Sehnen und Bändern) behandelt. Eine Vielzahl von manuellen Techniken kommt hier - je nach Bedarf und Möglichkeit - zum Einsatz.

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Viscerales System

Im visceralen System werden Mobilitätseinschränkungen von inneren Organe und deren Befestigungen untersucht. Findet die/der Osteopath_in in diesem Bereich eine Bewegungseinschränkung, wird diese durch spezielle Grifftechniken gelöst. Damit wird nicht nur eine mögliche Funktionsstörung in dem jeweiligen Organ, sondern auch Dysfunktionen in entfernten Bereichen (z.B. Wirbelsäule) behoben.

Eine Vielzahl manueller osteopathischer Techniken unterschiedlichster Intensität ermöglicht eine optimale Anpassung an die/den Patient_in und ihr/sein Problem.

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Craniosacrales System

Im craniosacralen System werden Dysfunktionen auf der Ebene des gesamten Nervensystems, der Gehirnflüssigkeit, sowie der knöchernen und membranösen Verbindung von Schädel (Cranium) und Kreuzbein (Sacrum) erspürt und behandelt. 



Dazu bedarf es einer langjährigen Schulung der Palpationsfähigkeit der Hände der Osteopath_innen, sowie einer genauen Kenntnis der Anatomie. Die im der craniosacralen System verwendeten Grifftechniken sind meist sehr sanft.



Die fünf Grundprinzipien der Osteopathie:

Das Leben ist Bewegung

Das Leben stellt sich in Form von Bewegung dar. Alles muss beweglich sein, das bedeutet jede Struktur im Körper braucht Bewegungsfreiheit. In den Bereichen wo keine optimale Bewegung stattfindet, kommt es zu Funktionsstörungen und infolgedessen können Krankheiten entstehen. Nicht nur die Strukturen des Bewegungsapparates (z.B. Gelenke und Muskeln) müssen sich ungehindert bewegen können, sondern auch die Organe. Flüssigkeiten (Blut, Lymphe etc.) müssen frei und ungehindert fließen können.

Struktur und Funktion

Struktur und Funktion des Körpers beeinflussen einander gegenseitig (function governs structur, structur governs function). Funktionsstörungen zeigen sich als beeinträchtigte Beweglichkeit einer Struktur.

In der Osteopathie werden die Bewegungen der Körperstrukturen untersucht und überprüft. Dadurch können Funktionsstörungen festgestellt werden. Anschließend wird mittels osteopathischer Techniken versucht, den Strukturen zu ihrer ursprünglichen Bewegungsfähigkeit zu verhelfen. Ist die Mobilität wieder hergestellt, werden die Selbstheilungskräfte aktiv und alles kann erneut in optimalem Umfang funktionieren.

Das Gesetz der Arterie

Jedes Gewebe im Körper muss ausreichend und gut versorgt und entsorgt werden (z.B. Zufuhr von Nährstoffen und Sauerstoff, Abtransport von Stoffwechselprodukten und CO2). Eine langfristige Störung dieser Versorgung und Entsorgung kann die Qualität und Mobilität der Gewebe verändern. Dies gilt für alle Körperflüssigkeiten (arterielles und venöses System, Lymphflüssigkeit, Gehirnflüssigkeit usw.). In der Osteopathie wird versucht, eine optimale Ver- und Entsorgung aller Strukturen mit Körperflüssigkeiten sicher zu stellen, um so eine ideale Funktion des Körpers zu erreichen.

Die Globalität des Körpers

Der Körper funktioniert als Einheit. Alle Strukturen und Gewebe des Körpers sind mechanisch (Gelenke, Muskel, etc.), und durch das Nervensystem sowie durch die Körperflüssigkeiten miteinander verbunden. Abweichungen von einer normalen Funktion und Mobilität haben Auswirkungen auf die Gesamtfunktion des Körpers. Erst das Zusammenspiel der einzelnen Strukturen ermöglicht dem Organismus als Ganzes zu funktionieren. Darum werden in der Osteopathie nie einzelne Beschwerden oder Krankheiten behandelt, sondern immer der Mensch in seiner Gesamtheit.

Der Körper heilt sich selbst

Die Fähigkeit unseres Körpers, Gesundheit zu erhalten oder bei Erkrankung wiederzuerlangen, verdanken wir seinen Selbstheilungskräften. Diese zeigen sich auf vielfältige Weise, z.B.

  • wenn gerinnendes Blut eine Wunde verschließt,
  • wenn ein Knochen nach einem Bruch wieder zusammenwächst,
  • wenn Bakterien bei Entzündungen abgewehrt werden,
  • wenn unser Körper nach einer Viruserkrankung gegen diese Erkrankung immun wird.

Osteopathie unterstützt den natürlichen Heilungsprozess durch die Wiederherstellung der Beweglichkeit aller Gewebe und der Zirkulation der Flüssigkeiten im gesamten menschlichen Körper.


Anwendungsgebiete

Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene jeden Alters mit unterschiedlichsten Beschwerden können osteopathisch behandelt werden. Die Behandlungsmöglichkeiten gehen weit über die Behandlung des Bewegungsapparates hinaus.

Grunderkrankungen wie z.B. Osteoporose oder hoher Blutdruck stellen nicht grundsätzlich ein Hindernis für eine osteopathische Behandlung dar. Osteopath_innen sind aber unbedingt über das Vorliegen von Erkrankungen und die Einnahme von Medikamenten zu informieren. In seltenen Fällen kann eine osteopathische Behandlung auch kontraindiziert sein.

Einige Beispiele für Beschwerden, die sehr gut auf osteopathische Behandlungen ansprechen:

  • Chronische und akute Schmerzzustände des Bewegungsapparates an Wirbelsäule und sämtlichen Gelenken (z.B. Bandscheibenvorfälle, Cervicalsyndrome, Lumbalgien, Frozen Shoulder, Tennisellbogen, Carpaltunnelsyndrome, Bursitis trochanterica, funktionelle Fußfehlstellungen usw.)
  • Kopfschmerz, Migräne, Schwindel
  • Neurologische Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose, Insult, Parkinson usw.)
  • Folgebeschwerden nach Unfällen und Operationen
  • Beschwerden im HNO-Bereich (z.B. chronische Nasennebenhöhlenentzündung, chronische Mittelohrentzündung, Tinnitus usw.)
  • Probleme der Kiefergelenke, Begleitung bei Zahnregulierungen
  • Beschwerden im Bereich der Atemwege (z.B. chronische Bronchitis, Asthma bronchiale, Atembeschwerden nach Pneumonien usw.)
  • Beschwerden des Verdauungstraktes (z.B. Obstipation, Verdauungsprobleme usw.)
  • Probleme im Urogenitalbereich (z.B. Menstruationsbeschwerden, Prostatabeschwerden, Inkontinenz usw.)
  • Allergien, Neurodermitis
  • Begleitung während der Schwangerschaft und nach der Geburt
  • Behandlung von Säuglingen (z.B. Stillprobleme, Verdauungsbeschwerden, Schiefhals, Schrei- und Speibabies, 
Schlafstörungen usw.)
  • Angeborene und erworbene Probleme in der kindlichen Entwicklung (z.B.Legasthenie, Konzentrationsschwäche, 
Hyperaktivität usw.)
  • Außerdem dient Osteopathie auch der Prävention

Geschichte

Das Konzept der Osteopathie wurde von dem amerikanischen Arzt Dr. Andrew Taylor Still (1828 -1917) in Kirksville, Vereinigte Staaten von Amerika, im Jahre 1874 begründet.

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   Dr. Andrew Taylor Still

Trotz seiner Kenntnisse der damaligen Medizin konnte Dr. Still den Tod einiger seiner Kinder und seiner ersten Frau nicht verhindern. Dieses Unvermögen brachte ihn dazu, neue Wege in der Medizin zu suchen. Er war überzeugt, dass die meisten Krankheiten gebessert oder geheilt werden könnten, und zwar ohne Zuhilfenahme der Heilmittel seiner Zeit. (Aderlässe, Brechmittel, Quecksilber etc.)

Durch ausführliche Studien der Anatomie und Physiologie stellte er bei der Arbeit mit seinen Patient_innen fest, dass auch geringe Veränderungen an Knochen, Gelenken oder Muskeln den gesamten Organismus beeinflussen. Er gab seinem Konzept den Namen Osteopathie, der sich aus zwei griechischen Wörtern zusammensetzt. Der Knochen (griech. „osteon“) war für Dr. Still der Ausgangspunkt, um die Ursache pathologischer Zustände ("Leiden", griech. "pathos") festzustellen.

Durch das Lösen von Störungen in der Körpermechanik beeinflusste er auch die Funktion von Gefäßen und Nerven, wodurch die Selbstheilungskräfte aktiviert werden konnten. In seinem Konzept des "triune man", der Einheit aus Körper, Geist und Seele, erkannte Still einen vollkommenen Selbstheilungsmechanismus. Der Mensch galt für den religiösen Dr. Still als perfekte Schöpfung Gottes.

Dr. Still schuf mit der Osteopathie eine neue Medizin, die nicht die Krankheit primär bekämpfte, sondern sich dem Menschen als Ganzes widmete und ihm half, die eigenen Selbstheilungskräfte zu stimulieren, um wieder gesund zu werden.

Dieser Grundgedanke der Osteopathie gilt auch heute noch: frau/man muss den Menschen als Ganzes sehen.

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   American School of Osteopathy,
   Erste Klasse

1892 gründete Dr. Still die American School of Osteopathy in Kirksville, Missouri, das heutige Kirksville College of Osteopathic Medicine. Stills Konzept der Osteopathie verbreitete sich sehr rasch. Einer seiner Schüler, Dr. William Garner Sutherland (1873-1954), beschäftigte sich intensiv mit dem Schädel und seinen Verbindungen und erweiterte die Osteopathie um den Aspekt der craniosacralen Osteopathie (craniosacrales System). Frühe Ansätze zur Palpation und Behandlung von inneren Organen wurden in den 1980er Jahren unter anderem von dem französischen Osteopathen Jean-Pierre Barral, D.O. aufgegriffen und weiterentwickelt. Dieser Bereich wird als viscerale Osteopathie (viscerales System) bezeichnet.

Mit Dr. John Martin Littlejohn (1865-1947) kam die Osteopathie nach Europa. Er gründete als Schüler Stills 1917 die erste europäische Schule für Osteopathie, die British School of Osteopathy in London. Von England ausgehend, verbreitete sich das Konzept der Osteopathie über ganz Europa.

Ausbildung

Zurzeit werden in Österreich verschiedenste Aus-, Fort- und Weiterbildungen auf dem Gebiet der Osteopathie angeboten. Die Osteopathie unterliegt derzeit noch keiner gesetzlichen Reglementierung. Deshalb werden vonseiten der OEGO nur bestimmte Osteopathieausbildungen anerkannt. Dies soll der Qualitätssicherung der Ausbildung und Ausübung von Osteopathie, vor allem aber dem Schutz von Patient_innen, dienen. Die Ausbildungskriterien der OEGO definieren das Minimum an beruflichen Kompetenzen für sicheres osteopathisches Arbeiten. 

Geeignete Ausbildungen sind:

POSTGRADUALE AUSBILDUNG MIT MEDIZINISCHEM BASISBERUF:

Medizinische Basisberufe: Nach der derzeit gültigen Gesetzeslage sind Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Physiotherapeut_innen zur Ausbildung zugelassen. In früheren Jahren wurden auch andere med. Berufsgruppen zur Ausbildung zugelassen. 

Postgraduale Ausbildung: Postgraduale Ausbildungen sollten mindestens 5-6 Jahre Ausbildungsdauer mit 1500 Präsenzstunden und einem Abschluss als DO, BSc Osteopathie oder MSc Osteopathie umfassen.
Die klinische Abschlussprüfung muss jedenfalls absolviert worden sein; der Titel selbst ist für eine Mitgliedschaft nicht zwingend erforderlich.

GRUNDSTÄNDIGE AUSBILDUNG OHNE MEDIZINISCHEN BASISBERUF:

Ordentliche Mitglieder der OEGO ohne medizinischen Basisberuf müssen die Matura oder ein Maturaäquivalent (oder Studienberechtigungsprüfung) sowie eine grundständige Osteopathieausbildung vorweisen. Diese Ausbildung sollte mindestens 4-5 Jahre Ausbildungsdauer mit 4200 Präsenzstunden und einem Abschluss als DO, BSc Osteopathie oder MSc Osteopathie umfassen
.


Die klinische Abschlussprüfung muss jedenfalls absolviert worden sein; der Titel selbst ist für eine Mitgliedschaft nicht zwingend erforderlich.

AUSBILDUNG IN ÖSTERREICH

Wiener Schule für Osteopathie (WSO)

1991 in Wien gegründete Schule, die Standorte in Wien und Klagenfurt führt.
 Die Ausbildung schließt mit dem Titel Master of Science (Osteopathie) und DO (Diplom-Osteopath) ab. Dieser Universitätslehrgang wird in Kooperation mit der Donau-Universität Krems (DUK) in Krems abgehalten.  

Die WSO ist Mitglied des Osteopathic European Network (OsEAN) und arbeitet eng mit allen nationalen und internationalen Organisationen zusammen.

www.wso.at

Internationale Akademie für Osteopathie (IAO)

1987 in Belgien gegründete Schule, die seit 2004 Standorte in Wien und Innsbruck führt.
 Die Ausbildung schließt mit dem Titel Master of Science (Osteopathie) und DO (Diplom-Osteopath) ab. Dieser Universitätslehrgang wird in Kooperation mit der University of Applied Sciences Tyrol (fhg) abgehalten.

www.osteopathie.eu

 

(Quelle: Die österreichische Gesellschaft für Osteopathie: oego.org)